Konferenz "Das radikaldemoraktische Museum (revisited)"

19.03.2024

Gemeinsam mit der TU Dortmund (Joachim Baur) und der HFBK Hamburg (Nora Sternfeld) organisiert PREDEF vom 21.-23.3. die Konferenz "Das radikaldemokratische Museum (revisited)" in Dortmund.

Die Konferenz versammelt und diskutiert Perspektiven radikaldemokratischer Museumspraxis aus den Themenbereichen: Das Archiv herausfordern, den Raum aneignen, Gegen-Öffentlichkeit organisieren, alternatives Wissen produzieren, Bildung radikalisieren, Strukturen vergesellschaften.

Auf der Konferenz sind folgende PREDEF-Beiträge vertreten:

  • Oliver Marchart (Keynote Lecture): Demo­kratische Institutionen imaginieren
    Der Vortrag wird der Frage nach der Funktion des Museums vor dem Horizont radikaler Demokratietheorie nachgehen. Dazu wird zunächst dargelegt, was radikale Demokratie überhaupt ist oder sein könnte. Ziel ist es, Kriterien radikaler Demokratien zu entwickeln, die dazu beitragen können, kulturelle Institutionen auf ihr Demokratisierungspotenzial hin zu befragen. Unser Blick muss dabei, so die These, über den realen Zustand dieser Institutionen – und damit über die real existierenden liberalen Demokratien – hinausreichen. Das schließt eine Kritik scheindemokratischer Partizipationsformen ein. Es geht um die Erweiterung unseres demokratischen Vorstellungshorizonts.
  • Oliver Marchart (Roundtable mit Nora Sternfeld, Joachim Baur, Irit Rogoff): Wie stellen wir uns ein radikal­demo­kratisches Museum vor?
  • Sergej Seitz (Panel): Commoning History: Vergesellschaftung als Praxis politischer Imagination
    In ihren Überlegungen zum Radikaldemokratischen Museum bezieht sich Nora Sternfeld auf das Konzept der Undercommons von Stefano Harney und Fred Moten (2013). Im Rahmen von fugitive practices setzen sich die Undercommons in eine „subversive, kriminelle Beziehung zur Institution“, indem sie „ihren Platz in den Institutionen finden und deren Zukunft beanspruchen, insofern sie da sind und gerade so, wie sie nicht eingeladen oder beauftragt sind“ (Sternfeld 2018, 63). Dabei macht Sternfeld darauf aufmerksam, dass eine solche subversive Praxis der Undercommons Gefahr läuft, in der Geste flüchtiger Verweigerung zu verharren. Im Anschluss daran frage ich nach den Potentialen, die Formen der Vergesellschaftung und Aneignung der symbolischen Autorität von Museen und Archiven für die radikale, kollektive Imagination demokratischer Alternativen bereithalten. In Anknüpfung an Saidiya Hartmans Arbeiten zu einer kritischen fabulation (2019), die die Lücken der offiziellen historischen Archive auslotet, und Bonnie Honigs Idee einer emanzipatorischen Gegenaneignung gesellschaftlicher Erinnerungspraktiken (2021) schlage ich vor, radikaldemokratische Vergesellschaftungen musealer Räume als Praktiken der Erweiterung politischer Vorstellungshorizonte zu denken.
  • Madlyn Saur (Panel): Vom Museum zum Tribunal: Erinnerung, Wahrheit und Gerechtigkeit für Siloé!
    In Siloé, einem Stadtviertel von Cali in Kolumbien, manifestieren sich Armut und Marginalisierung ebenso wie Stolz, Widerstandsfähigkeit und Gemeinschaftssinn. Seit über 40 Jahren sammelt und dokumentiert der Bewohner und Aktivist David Gómez die Geschichte und den Alltag in Siloé aus der „popular y pobre“-Perspektive der Subalternen. Das „Museo Popular“, gegründet von Gómez im Jahr 2000, beherbergt als „lebendiger Raum zum Spielen, Singen, Zuhören und Lernen“ nicht nur eine umfangreiche Objekt-, Foto- und Videosammlung zu Siloé, sondern spielte eine entscheidende Rolle bei der Sichtbarmachung der brutalen staatlichen und parastaatlichen Gewalt während des nationalen Generalstreiks 2021 in Kolumbien. Gemeinsam mit Opferfamilien rief die Stadtteilgruppe um das Museo Popular das „Tribunal Popular en Siloé“ ins Leben – ein zivilgesellschaftliches Tribunal, das die Untersuchung der zahlreichen Menschenrechtsverbrechen, Morde und Gewalttaten selbst in die Hand nahm. Im Vortrag zeichne ich gemeinsam mit Mitgliedern des Museo Popular - David Gómez, Andreas Hetzer, Ani Dießelmann und Isabella Albán - nach, wie sie sich das juridische Format eines „Peoples´ Tribunals“, zu deutsch Völkertribunals, als gemeinschaftlichen Stadtteilprozess aneigneten. Das Museo Popular steht exemplarisch für eine radikaldemokratische Museumspraxis, die sich unnachgiebig sozialen und politischen Kämpfen verpflichtet fühlt.